Der Neuzugang:
Am 15. Oktober 2020 sind die ersten Kiger-Mustangs nach Österreich gekommen – auf die Pröll-Ranch in Goldwörth. Zwei Stuten, zweieinhalb und dreieinhalb Jahre alt. Schon vor über 12 Jahren, als Erich Pröll versuchte, Mustangs in Wyoming adoptieren zu dürfen, erkundigte er sich über die berühmten „Kiger-Mustangs“. „Vergiss es, jahrelange Wartezeit auf ein Gathering und extrem teuer“, so wurde Pröll von den BLM-Leuten aufgeklärt.
Jetzt leben drei dieser Kiger-Mustangs im Mühlviertel.
Kiger-Mustangs:
Diese Mustangs werden als die „Perlen der Mustangs“ bezeichnet. Eine kleine Herde wurde 1977 in den unzugänglichen Gebieten im Südosten des USA Bundesstaates Oregon, im Gebiet Battys Butte, im Kiger Valley entdeckt. Es sind nur 27 dieser außergewöhnlichen Wildpferde entdeckt worden und sie gelten als streng geschützt. Dass keine Überpopulation in den letzten Jahrzehnten erfolgte, dafür sorgen die Wölfe und Pumas im Kiger Valley, denen rund ein Viertel der Fohlen zum Opfer fallen. Das Besondere an diesen Wildpferden – sie sind genetisch reinerbig und rein spanischen Ursprunges und es sind keine Vermischungen mit anderen Rassen erfolgt.
Zwei Farbvarianten gibt es bei den Kigers: Dun Farben (Falbe) mit schwarzem Langhaar und dunklen Beinen und Grullo färbige (grau) und beide haben sie einen ausgeprägten Aalstrich und Zebramuster an den Beinen. Sie gelten als intelligent, mutig, lernwillig und selbstbewusst.
Am Rande von Malmö in Südschweden, leben auf der „Ranch“ von Tomas Linden seit über 20 Jahren Kiger Mustangs. Tomas hat einen Hengst und drei Stuten in Oregon erworben und auch schon Fohlen gezogen. Eine zweieinhalbjährige Grulla farbige Stute (Blossom-Blümchen) und eine dreieinhalbjährige Dun-Stute (Rain) lebten auf seinen weitläufigen Weiden. Sehr spontan wurde nach Schweden aufgebrochen und Ende August 2020 ging die Reise über Norddeutschland und Dänemark nach Malmö. Groß war das Staunen, die ersten Kiger Mustangs aus nächster Nähe zu sehen und einen ganzen Tag lang zu beobachten. Sie waren anders, als die anderen Mustangs. Berührungen, Streicheleinheiten waren ihnen nicht wichtig, sie legten kurz die Ohren an und wichen aus. Per Handschlag wurde mit Tomas Linden vereinbart, diese beiden Kiger Mustangs zu kaufen. Mitte Oktober wurden mit dem „Horse-Service“ aus Bayern die beiden Stuten nach Goldwörth an der Donau gebracht. Zunächst hatten die beiden einen eigenen Offenstall und eigene große Weide. Auf der angrenzenden Weide beobachteten die sechs Quarter und Painthorses aufgeregt das Geschehen.
Nach einem Monat wurden die Gatter geöffnet und die beiden Kiger Damen sind seither zusammen mit den Quarter und Paint. Zunächst schüchtern und mit Abstand und nach drei Monaten sind sie selbstbewusst und weisen die anderen in ihre Schranken. In diesen Wochen in Goldwörth wurde eifrig mit ihnen geübt und die anfängliche Ablehnung und das Misstrauen gegenüber Menschen, hat sich ins Gegenteil umgekehrt und sie arbeiten offenbar mit Freude mit ihrem Menschen zusammen. Inzwischen tragen sie mit Gelassenheit den Sattel, man kann mit ihnen spazieren gehen, sie lassen sich problemlos in den Pferdehänger verladen und kommen über die Weide angaloppiert, wenn sei einem erspähen.
Kiger Mustangs sind sensible Pferde, sie brauchen eine Vertrauensperson, aber wenn sie Vertrauen gewonnen haben, dann geben sie für diese alles. Wie alle Wildpferde gehören sie in verantwortungsvolle Hände von Menschen die mit Pferden geduldig und korrekt umgehen können
Am 21.1.2022 teilte Tomas Linden mit, dass seine dritte Stute aus seiner Herde, die 5-jährige Grulla-Stute, eine Halbschwester von Rain und Blümchen, auch zu erwerben wäre. Sehr spontan wurde der Kauf besiegelt und bereits am 1.2.22 ist die Kiger-Stute Donna (Menina) in Goldwörth mit dem bayrischen „Horse-Service“ aus Malmö kommend, eingetroffen. Die Eingliederung in die Herde war kein Problem. Mit den drei Kiger-Stuten – den „Golden Girls“ – wurde laufend geübt und die ersten Ausritte in die Donau-Auen sind problemlos erfolgt, mit Donna an der Leine.
Reise zu den Kiger-Mustangs nach Oregon/USA
Am 11.11.2021 war es soweit. Nach 20 Monaten, ab 8.11. konnte man wieder aus Europa in die USA mit dem Flugzeug einreisen. Corona-Maßnahmen verhinderten dies. Endlich wieder in das weite Land, in den Wilden Westen, in das Land der Cowboys und – in das Land der großartigen Wildpferde – der Mustangs.
Zuerst der Besuch bei Jenny in Reno/Nevada. Nach 11 Jahren wieder das Treffen mit der Frau, die es durch Ihr Bemühen damals möglich gemacht hat, dass die fünf Mustangs aus der Wildnis vom BLM adoptiert und nach einem Jahr erworben werden konnten. Jenny hat wieder sehr geholfen, die notwendigen Kontakte nach Oregon herzustellen, um vielleicht sogar eine wilde Herde Kiger-Mustangs in den Steens-Mountains zu erleben.
Von Reno/Nevada nach Burns/Oregon ist es nicht weit – für amerikanische Verhältnisse. 7 ½ Stunden reine Fahrzeit. Wälder, Salzseen, endlos scheinende schnurgerade Straßen. In den weiten Ebenen liegen vereinzelt Ranches mit hunderten von Rindern, dazwischen nix. Bei jeder kleinen Siedlung volltanken, denn bis zur nächsten Tankstelle können es viele Meilen sein. In Burns ist die BLM-Station und das Treffen mit dem Leiter für die Wildpferde, Rob Sharp war besonders nett, Jenny hat schon vorinformiert. Auf den detaillierten Jägerkarten wurde eingezeichnet, wo eventuell Kiger-Mustangs in den Steens-Mountains zu finden wären. Eine 160 Kilometer lange Bergkette, die bis auf 3000 Meter ansteigt und mit Tälern und Schluchten durchzogen ist, da leben ein paar kleine Herden Kigers, insgesamt ca. 100 Pferde. Eigentlich eine aussichtslose Idee, ein paar dieser Pferde in den Weiten der Bergkette zu finden. Sie sollen sich irgendwo in einer Höhe zwischen 1500 und 2000 Metern aufhalten.
Bevor die „Expedition“ in die Berge beginnen sollte, war ein Treffen mit „dem Kenner“ der Kiger-Mustangs geplant – mit Rick Littleton in Bend. An Rick heranzukommen ist fast nicht möglich, denn er wurde früher unaufhörlich von Leuten belagert, die sich über Kigers informieren wollten. Als er erfuhr, dass Kigers bereits in Österreich sind, war sein Interesse groß.
1977 hat der inzwischen über 90 Jahre alte Bill Philips in den Bergen diese kleine Mustang-Herde entdeckt. Es war im Kiger-Valley, daher auch Kiger-Mustangs. Um herauszufinden, ob es noch weitere dieser Wildpferde gibt, flog er mit seinem Freund Rick Littleton mit einer kleinen Maschine die Bergkette ab und sie fanden auch ein paar weitere Pferde.
Nach einem Round Up erwarb Rick Littleton einen Hengst und ein paar Stuten und züchtete nun Kiger-Mustangs, um auch einen Genpool zu schaffen, sollte die kleine Herde in den Bergen ausgerottet werden oder verloren gehen.
Diese Kigers haben aufgrund ihrer Seltenheit sehr hohe Preise erzielt. Rick hatte einen wunderschönen Dun-farbenen Hengst gezogen und nannte ihn Donner. Dieser hatte einige Stuten gedeckt, bis er verkauft wurde – an die Dreamworks Studios von Steven Spielberg. Nach dieser „Vorlage“ entstand durch hervorragende Zeichner und Computer-Animationen, die die Bewegungen des Hengstes auf Film übertrugen, der einmalige Kino-Animationsfilm „Spirit – der Wilde Mustang“, zu dem Brian Adams die Musik komponierte und auch sang.
Wahrscheinlich hat jedes pferdebegeisterte Mädchen diesen Film schon 100x gesehen. Donner/Spirit ist jetzt 28 Jahre alt und lebt auf einer Ranch mit anderen Mustangs zusammen. Einige Nachkommen von Spirit kamen von Rick zu Tomas nach Schweden und in der Folge nach Österreich. Die drei Kiger Mustangs in Goldwörth sind die direkten Nachkommen von Spirit/Donner und „Rain“ sieht auch genauso aus.
Das Treffen mit Rick Littleton in Bend war einmalig und zwei Tage lang ging es nur um die Kigers. Es wurde auch versucht, Bill Phillips, den Entdecker in Oregon zu finden, vergeblich. Schließlich entstand über Umwegen der Kontakt und Bill wurde in Kansas gefunden und bei einem Telefonat hat sich Bill sehr gefreut und er will in einem späteren Interview die ganze Geschichte über die Kiger Mustangs und ihre Entdeckung erzählen. Dies sollte ein highlight in einem geplanten TV-Film über die Kigers sein, der im Herbst 2022 gedreht werden soll.
Mit den Informationen von Rob Sharp und Rick Littleton wurde nun versucht, den richtigen Weg in die Berge der Steens-Mountains zu finden. Hoffnungslose Versuche, nach wenigen Meilen war kein Weiterkommen mit dem Geländewagen. Bei einer Ranch am Fuße der Berge eine Überraschung. Die Chefin des Hauses, ein echtes Cowgirl, mit Stiefel und Sporen, Cowboyhut und extrem cool, erzählte, dass sie mit ihren Cowboys ausgerissene Rinder aus den Bergen ins Tal trieben. Dabei fanden sie frische Pferdeknödel. Das war ein untrügliches Zeichen, hier müssen Kigers vorbeigekommen sein. Also hinauf in die Berge auf fast unbefahrbaren Wegen und nach 2 ½ Stunden kleine Nadelwälder und – die Sensation – ein graues Pferd, bald darauf ein Dun-farbenes und dann noch ein paar weitere und auf einer Lichtung grasten sie – eine kleine Herde von wilden Kiger-Mustangs, etwa 17 Pferde. Auf ca 150 Meter konnte man sich anpirschen, einige Foto und Video Aufnahmen machen und dann wurden sie über zwei Stunden auf Abstand begleitet. Teilweise Wald, dann wieder einzelne Bäume oder komplett abgebrannte Waldhänge. Langsam bewegte sich die kleine Herde in den nächsten Canyon, über schroffe Lava-Steine und dazwischen spärliches, dürres Gras. Erstaunlich, wie sie trotzdem so kräftig und gut ernährt wirkten. Ein stattlicher Hengst umkreiste dauernd die Herde und hielt Ausschau, ob Gefahr droht.
Das war unwahrscheinliches Glück und auch ein Hinweis, dass es möglicherweise doch gelingen könnte, diese großartigen, seltenen Mustangs zu filmen und eine spannende Dokumentation zu drehen – über die Kigers und all die vielen spannenden Geschichten, auch über andere Mustangs in Nevada und die ebenfalls geschützten Burros, die Wildesel.
Es ist natürlich ein Privileg, dass drei dieser einmaligen Pferde auch auf der Proell-Mustang-Ranch leben, in der natural horsemenship methode trainiert und auch geritten werden können.